• 04.04.2024
  • von Eva Gerber-Glur
Fit für den Dienst: Eine kurze Geschichte zur medizinischen Tauglichkeit im Eisenbahnbereich
Schienen
Sind Sie sich bewusst, wie entscheidend medizinische Tauglichkeitsuntersuchungen für die Sicherheit im Eisenbahnbereich sind? Als Experten und Expertinnen in diesem Bereich wissen wir, dass diese Untersuchungen nicht nur eine gesetzliche Anforderung sind, sondern einen unverzichtbaren Beitrag zum reibungslosen Ablauf des öffentlichen Verkehrs leisten. Wie haben sich diese Untersuchungen im Laufe der Zeit entwickelt? Welchen Beitrag leisten sie konkret zur Sicherheit im öffentlichen Verkehr? In den folgenden Abschnitten werden wir tiefer in dieses Thema eintauchen und Ihnen einen Einblick in die Entwicklung und Bedeutung der medizinischen Untersuchungen im Schienenverkehr geben.

Unsere Unternehmung beschäftigt sich schwerpunktmässig mit der Durchführung von medizinischen Tauglichkeitsuntersuchungen für den Eisenbahnbereich. Zuständig für die gesetzlichen Vorgaben ist – wie bestens bekannt – das Bundesamt für Verkehr (BAV). So führen wir für unsere Unternehmenskundinnen im öffentlichen Verkehr eine Vielzahl von Tauglichkeitsuntersuchungen für sicherheitsrelevante Tätigkeiten im Eisenbahnbereich durch.

Ziel dieser Untersuchungen ist letztendlich der reibungslose Ablauf des öffentlichen Verkehrs. Die durchgeführten medizinischen Untersuchungen dienen – wie in der Beschreibung der Tätigkeiten enthalten – der allgemeinen Sicherheit.

Die Entwicklung der Schweizer Eisenbahnabteilung und ihre Rolle bei der Staatsbahngründung

Seit dem 1.April 1873 existiert das BAV, das als Eisenbahnabteilung ins Leben gerufen wurde. Ziel der eidgenössischen Behörde war es, die damals existierenden diversen Privatbahnen zu koordinieren, um so auch gegenüber dem Ausland eine einheitliche Verkehrspolitik sicherstellen zu können.

Die Eisenbahnabteilung war zu­erst im Eisenbahn- und Handelsdepartement angesiedelt, ab 1879 im Post- und Eisenbahndepartement, später im Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement und befindet sich ab 1998 im aktuellen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommu­nikation (UVEK). Die Eisenbahnabteilung war verantwortlich für die Aufsicht, führte Inspektionen für einen reibungslosen Ablauf durch und kontrollierte die Bahnanlagen und das Rollmaterial in Bezug auf die Sicherheit.

Im Bewusstsein um die Wichtigkeit der Eisenbahn in einem volkswirtschaftlichen Kontext und aber auch in der Bedeutung für die Landesverteidigung gab es zunehmende Bestrebungen, die verschiedenen Privatbahnen zu verstaatlichen; eine eidgenössische Abstimmung «die Schweizer Bahnen dem Schweizervolk» wurde 1898 mit einer soliden Mehrheit angenommen und führte 1902 zur Gründung der SBB als schweizerischer Staatsbahn, die in der Folge aus der Aufsicht des BAV herausgelöst wurde. Erst im Jahr 2000 übernahm das BAV wiederum die Aufsicht über die SBB, da diese mit der Bahnreform als Unternehmen organisiert und aus der Bundesverwaltung ausgegliedert wurde.

Historische Ereignisse und ihre Auswirkungen: Das Eisenbahnunglück von Münchenstein

Am 14. Juni 1891 kam es zum schwersten Eisenbahnunglück in der Schweiz bis heute.

Die Brücke über die Birs bei Münchenstein stürzte unter einem Zug der Juralinie ein; 73 Menschen verloren das Leben und 171 Personen wurden verletzt. Diese Katastrophe hatte weitreichende Auswirkungen auf die Sicherheit im Eisenbahnbetrieb.

Nach dem dramatischen Zugunglück in Münchenstein von 1891 wurden sämtliche Eisenbahnbrücken und in der Folge auch andere Eisenbahnstrukturen im Hinblick auf die Betriebssicherheit kontrolliert. Diese Massnahmen waren entscheidend, um ähnliche Tragödien in Zukunft zu verhindern und die Sicherheit im Schweizer Eisenbahnsystem zu verbessern.

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Bildquelle: 150 Jahre BAV. Schweizerische Eidgenossenschaft, Bundesamt für Verkehr.

Sicherheitsrelevante Tätigkeiten im Fokus: Ein Blick auf die gesetzlichen Vorgaben

Einheitliche gesetzliche Vorgaben in Bezug auf die Überprüfung des gesundheitlichen Zustandes der im öffentlichen Verkehr beschäftigten Personen, insbesondere der Triebfahrzeugführer hingegen gab es allerdings erst Jahrzehnte später. Die Beurteilung der gesundheitlichen Anforderungen oblag den einzelnen Bahnen selbst.

Gemäss Keller (1976) wurden bei der SBB 1935 alle Lokomotivführer, die älter als 50 Jahre waren, ein erstes Mal ärztlich untersucht. 10 Jahre später erfolgte wiederum eine Untersuchung im gleichen Rahmen. Der bahnärztliche Dienst der SBB untersuchte von da an routinemässig alle Lokomotivführer ab dem 50-igsten Altersjahr mit einer Periodizität von 5 Jahren. Im weiteren Verlauf wurde das Erstalter für eine Untersuchung auf 45 gesenkt und das Untersuchungsintervall auf 3 Jahre. Eine weitere Anpassung erfolgte ab 1958 mit einer periodischen Untersuchung für Lokomotivführer bereits ab dem Alter von 30 Jahren. Zusammen mit der vor Einstellung durchgeführten Überprüfung des Gesundheitszustandes war fortan eine lückenlose ärztliche Überwachung gegeben (Quelle: Paul Keller, 1976).

Im Oktober 2003 wurde die Verordnung des UVEK über die Zulassung von Triebfahrzeugführenden der Eisenbahnen VTE erlassen. Diese Verordnung wurde 2007 für Zugpersonal und Rangierpersonal mit indirektem Führen angepasst. Eine weitere Ergänzung der Vorschriften erfolgte im Jahr 2009 durch die Verordnung über sicherheitsrelevante Tätigkeiten im Eisenbahnbereich (STEBV). Mit diesen gesetzlichen Grundlagen waren fortan die medizinischen Tauglichkeitsuntersuchungen eidgenössisch geregelt und es gab und gibt einheitliche Vorgaben in Bezug auf den Gesundheitszustand von Personen in den verschiedenen sicherheitsrelevanten Tätigkeiten.

Aktuell werden alle Personen mit sicherheitsrelevanten Tätigkeiten im Eisenbahnbereich regelmässig untersucht, wobei die Periodizität der Untersuchungen und auch das Ausmass der medizinischen Testungen je nach Anforderungsstufe und Alter variieren.

Farberkennung im Fokus: Die Bedeutung der Überprüfung der Farberkennung im Eisenbahnbereich

Bei jeder Einstellungsuntersuchung im Eisenbahnbereich erfolgt auch immer eine Überprüfung der Farberkennung.

Farbsinnstörungen kommen in unterschiedlichen Ausprägungen vor und nicht immer sind sich die Betroffenen ihres Defizites bewusst. Die Untersuchung erfolgt auf der einen Seite durch eine Serie von Farbtafeln (Test gemäss Ishihara) und auf der anderen Seite kann mit einer speziellen Apparatur, dem sogenannten Anomaloskop (= Spektralfarbenmischapparat) sehr genau gemessen werden, in welchem Farbspektrum allenfalls Defizite vorliegen.

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Beispiel einer Ishihara Tafel: Eine Person mit einem normalen Farbsinn liest 42, eine Person mit einer Grünstörung (Deuteranomalie) liest 4, eine Person mit einer Rotstörung (Protanomalie) liest 2.

Die Einführung einer routinemässigen Überprüfung des Farbsinns im Eisenbahnbereich ist historisch interessant und geht auf ein schweres Eisenbahnunglück im Jahre 1875 im schwedischen Lagerlunda zurück. Im November 1875 kollidierten zwei Expresszüge auf einer einspurigen Strecke und neun Personen verloren dabei ihr Leben. Bei der Aufarbeitung der Unfallursachen wurde die Hypothese aufgestellt, dass eine Farbenblindheit des Lokomotivpersonals auf dem einen Zug und die konsekutive Missinterpretation eines Farbsignals ursächlich für den Zusammenstoss sein könnte. Diese Arbeitshypothese konnte nicht nachgeprüft werden, da die entsprechenden Personen, die im Verdacht standen, beim Unfall ihr Leben verloren haben.

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Die bei der Kollison von Lagerlunda gebrauchten Signallampen. Bildquelle: The Lagerlunda Collision and the Introduction of Color Vision Testing (Survey of Ophthalmology; Volume 57; Number 2; March-April 2012)

In den Jahren nach dem Unfall wurden zahlreiche Publikationen veröffentlicht, die verschiedene Vermutungen über den Unfallhergang präsentierten. Besonders bemerkenswert ist, dass Willibald Nagel, der Erfinder des Anomaloskopes, im Jahr 1907 deutlich die Möglichkeit einer Farbenblindheit als Ursache erwähnte.

Wenn auch nachfolgende Untersuchungen des Unglücks von Lagerlunda eher von verschiedenen Ursachen ausgehen und nicht allein eine Farbenblindheit als Ursache ansehen, so hat doch dieses Ereignis dazu geführt, dass die Bestimmung des Farbsinns bis heute ein fixer Bestandteil jeder Eintrittsuntersuchung im Eisenbahnbereich ist.

Elisabeth Berger

Elisabeth Berger, Fachärztin für Allgemeine Innere Medizin und Arbeitsmedizin

Elisabeth Berger ist als Spezialärztin für Verkehrsmedizin bei HMS tätig und ist mit Tauglichkeitsbeurteilungen im Eisenbahnverkehr, Fahreignungsbeurteilungen für den Strassenverkehr und als Fachärztin für Arbeitsmedizin zusätzlich mit arbeitsmedizinischen Themen befasst. Sie stand dem Redaktionsteam bei diesem Artikel beratend zur Seite.

Fazit

Es erstaunt in diesem Sinne auch nicht, dass in der Geschichte der Eisenbahnen oftmals dramatische Unfallereignisse zu Anpassungen der gesetzlichen Vorgaben oder sogar auch zur Einführung von konkreten Untersuchungsinhalten geführt haben. Diese Anpassungen sind entscheidend, um die Sicherheit der Fahrgäste und des Personals zu gewährleisten und das Vertrauen in das Eisenbahnsystem zu stärken. Die Lehren aus vergangenen Unfällen haben dazu beigetragen, dass die Eisenbahngesetzgebung kontinuierlich verbessert wurde und weiterhin darauf abzielt, den Betrieb sicherer zu machen.

Insgesamt zeigt die Geschichte und Bedeutung von medizinischen Tauglichkeitsuntersuchungen im Eisenbahnbereich die fortwährende Verpflichtung zur Sicherheit im öffentlichen Verkehr. Von den Anfängen der staatlichen Regulierung bis hin zu den modernen Standards der heutigen Zeit haben sich diese Untersuchungen als unverzichtbarer Bestandteil des Eisenbahnbetriebs erwiesen. Durch die fortlaufende Entwicklung von Vorschriften, Technologien und Verfahren bleiben wir auf dem richtigen Weg, um die Sicherheit für Fahrgäste und Personal gleichermassen zu gewährleisten.

Überprüfung der Diensttauglichkeit

Verkehrsmedizinische Tauglichkeitsuntersuchungen sind von entscheidender Bedeutung für die Aufrechterhaltung Ihrer Arbeitsfähigkeit und die Gewährleistung der Sicherheit am Arbeitsplatz. Unsere Untersuchungen folgen strengen medizinischen Standards, um sicherzustellen, dass Sie die beruflichen Anforderungen erfüllen und keinerlei gesundheitliche Einschränkungen haben, die Ihre Leistungsfähigkeit beeinträchtigen könnten.