• 27.05.2025
  • von Curdin Seeli
Rückkehrgespräch: Strategien zur erfolgreichen Reintegration von Mitarbeitenden
Rueckkehrgespraech
Die Rückkehr an den Arbeitsplatz nach einer krankheits- oder unfallbedingten Abwesenheit kann für Mitarbeitende eine grosse Herausforderung darstellen – emotional wie auch organisatorisch. Unternehmen, die ihre Angestellten in dieser sensiblen Phase professionell begleiten, schaffen nicht nur Vertrauen, sondern legen auch den Grundstein für eine erfolgreiche und nachhaltige Wiedereingliederung. Ein zentrales Instrument ist das Rückkehrgespräch. Es trägt dazu bei, mögliche Belastungen zu erkennen, Missverständnisse zu vermeiden und die weitere Zusammenarbeit positiv zu gestalten. In diesem Blog-Beitrag werden Rahmen und Inhalt dieser Gespräche skizziert und praktische Ratschläge erläutert.

Das Rückkehrgespräch – ein wichtiges kommunikatives Gefäss

Nach längerer krankheitsbedingter Abwesenheit eines Teammitglieds kommt der Moment, wo ein erstes offizielles Gespräch zwischen der betroffenen Person und dem Arbeitgeber stattfindet. Zu diesem Zeitpunkt steht üblicherweise eine (Teil-)Arbeitsfähigkeit des Mitarbeitenden in Aussicht, sodass die berufliche Reintegration nach Krankheit geplant wird. Dieses Wiedereingliederungsgespräch kann nach einigen Wochen oder mehreren Monaten der Absenz erfolgen. Grundsätzlich gilt: je länger die Abwesenheit dauert, umso grösser ist die Wichtigkeit dieses Moments. In der verstrichenen Zeit kann sowohl im Leben der arbeitsunfähigen Person wie auch in einem Unternehmen viel passiert sein. Es ist erstrebenswert, dass der Kontakt zwischen Mitarbeiterin oder Mitarbeiter und vorgesetzter Person während der Krankschreibung – immer unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Verfassung des Mitarbeitenden – nie gänzlich abbricht.

 

Die einhergehenden Umstände eines Rückkehrgesprächs können also ein fragiles Fundament für einen Austausch bedeuten. Genau deshalb ist es wichtig, dass es bedacht und gut vorbereitet angegangen wird. Ein gelungenes Treffen fördert das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden. Es soll der krankgeschriebenen Person Sicherheit und ein Gefühl der Dazugehörigkeit im Unternehmen vermitteln. Der Arbeitgeber signalisiert Offenheit und bietet seine Unterstützung an. Zugleich kann er im Gespräch die Motivation und die Möglichkeiten der Wiedereingliederung eruieren.

 

Komplementär zum Rückkehrgespräch – eher im Bereich des präventiven Gesundheitsmanagements einer Firma – werden das Fehlzeitengespräch und das Früherkennungsgespräch unterschieden. Ersteres bezeichnet den Austausch über wiederkehrende und auffällige (Kurz-)Absenzen, die der Arbeitgeber anspricht, um die Situation besser verstehen und einschätzen zu können. Letzteres hat das Ziel, gesundheitliche oder persönliche Auffälligkeit des Mitarbeitenden zu beleuchten. Immer geht es darum, auf die betroffene Person zuzugehen und den Rahmen für ein offenes Gespräch zu schaffen.

 

Zur Vorbereitung solcher Gespräche kann auch die Webapplikation stayok for business eingesetzt werden. Nach dem Ausfüllen eines Fragebogens erhält die betroffene Person einen persönlichen Report. Mit ihrer Zustimmung kann ein datenschutzkonformer aggregierter Arbeitgeber-Report direkt an die vorgesetzte Person übermittelt werden. Basierend auf den Ergebnissen zu Ressourcen und Risikofaktoren stellt der Arbeitgeber-Report der vorgesetzten Person einen unterstützenden Gesprächsleitfaden sowie konkrete Diskussionsansätze zur Verfügung. So können im Fehlzeitengespräch mögliche Belastungen gezielt angesprochen und passende Massnahmen im beruflichen Kontext entwickelt werden.

Stayok for business im Absenzenmanagement

Die Webapplikation unterstützt HR-Fachpersonen und Führungskräfte gezielt bei der Durchführung gesundheitsorientierter Standort- oder Rückkehrgesprächen

Ambiente schaffen, Austausch planen

Eine gründliche Vorbereitung des Rückkehrgesprächs ist wichtig. Der verantwortlichen vorgesetzten Person sollen Daten und Fakten bekannt und präsent sein. Sie plant sich genügend Zeit für den Aus-tausch ein und reserviert einen Termin in einem ruhigen Raum, wobei auch Rücksicht darauf genommen wird, ob die krankgeschriebene Person fähig oder bereit ist, Teammitgliedern zu begegnen. Vertraulichkeit ist die Basis eines offenen und zielführenden Gesprächs. Dass der Austausch vor Ort stattfindet, ist nach einer längeren Zeit der Absenz wichtig; ein persönliches Treffen ist einem Online-Meeting klar vor-zuziehen. Der zwischenmenschliche Aspekt ist ein Gewinn, das persönliche Setting hilft, die individuellen Hürden im Austausch zu verringern und neuerlich ein Gefühl für die Realität im Unternehmen zu bekommen. Je nach Komplexität der Krankheitsgeschichte sind mehr oder weniger Personen in den Fall involviert. Neben arbeitnehmender und vorgesetzter Person kann es sein, dass eine Case Management- oder eine Eingliederungs-Fachperson einer IV-Stelle teilnimmt. Erfordert es die Situation, kann eine ärztliche oder psychologische Fachperson online zugeschaltet werden. Sind einige Personen anwesend, muss im Vorfeld des Austauschs definiert werden, wer das Gespräch leitet. Um eine nahtlose Kommunikation für das weitere Vorgehen zu sichern, wird gemeinsam entschieden, wann ein Folgegespräch stattfindet.

Infos, Ziele und gangbare Wege

Das grundlegende Ziel eines Rückkehrgesprächs ist der gegenseitige Informationsaustausch, um die Planung der beruflichen Wiedereingliederung oder eine angepasste Tätigkeit in Angriff zu nehmen. Hierbei werden – auf Basis der gesundheitlichen und firmeninternen Gegebenheiten – verschiedene Möglichkeiten besprochen. Es macht Sinn, sich gemeinsam gut zu überlegen, welcher Ansatz der zielführendste sein sollte, denn die Bandbreite ist gross: ein langsamer Einstieg in einem reduzierten Pensum, ein therapeutischer Arbeitsversuch, Frühinterventions- oder berufliche Massnahmen mit Unterstützung der IV. Folglich müssen auch Fragen zur Finanzierung des Wiedereinstiegs diskutiert werden. Ist eine Krankentaggeld-Versicherung involviert, ist der Arbeitgeber selbst für die Lohnfortzahlung verantwortlich, gibt es Sozialversicherungen, die unterstützen können?

Ein sehr wichtiger inhaltlicher Aspekt des Rückkehrgesprächs ist die Klärung der vorhandenen Ressourcen: Was ist für die betroffene Person gesundheitlich möglich? Was ist zumutbar? Sind medizinische Einschränkungen vorhanden, die Schonauflagen verlangen? In diesem Kontext sollte praktisch, pragmatisch und realitätsnahe geplant werden. Einschränkungen müssen benannt werden, um adäquate Lösungen zu finden. Welche Anpassungen sind innerhalb der Firma möglich, welche Hilfsmittel können bereitgestellt werden? Bei kognitiven Einschränkungen beispielsweise sollte es nicht zu viel Kundenkontakt geben, vielleicht ist ein Einzelbüro eine Option. Ebenfalls muss bedacht werden, ob die Schonauflagen vorübergehender oder langfristiger Art sind.

Stolpersteine erkennen, Abhilfe leisten

Eine grosse Herausforderung zwischen einer arbeitsunfähigen Person auf dem Weg zurück in den Arbeitsprozess und verantwortlichen Vorgesetzten ist eine unterschiedliche Selbst- und Fremdwahrnehmung der Situation. Sich offen und empathisch mit der Person auszutauschen, ist der beste Ansatz, um die Divergenz zu klären. Wie wird die Person wahrgenommen? Geht es eher darum, sie zu motivieren und ihr Mut zuzusprechen – oder muss ihr klargemacht werden, dass Übereifer kontraproduktiv sein kann? Häufig macht es mehr Sinn, den Wiedereinstieg mit einem kleinen Arbeitspensum zu starten, um Präsenzzeit respektive Arbeitslast sukzessive zu erhöhen und gesundheitliche Rückfälle zu vermeiden. Druck auszuüben ist grundsätzlich nicht erfolgversprechend, die Rückkehr soll ein Miteinander sein. Nichtsdestotrotz kommt es vor, dass eine arbeitsunfähige Person besser auf klare Zielsetzungen reagiert, um sich nicht in der Negativspirale der Wahrnehmung der eigenen misslichen Lage zu verlieren. So gilt: Probleme nicht ignorieren oder verharmlosen, Ressourcen aber explizit erwähnen und fördern.

 

Und wie reagiert man als Arbeitgeberin oder Arbeitgeber, wenn man merkt, dass ein Mitglied der Firma nicht ehrlich ist? Das Thema Suchtmittelmissbrauch ist ein Beispiel, das heikel zu besprechen ist. In diesen Fällen kommt es stark darauf an, wie gross das Vertrauensverhältnis zwischen den Beteiligten ist. Respektvolles und feinfühliges Agieren kann Menschen dazu bewegen, sich mitzuteilen und Unterstützung zuzulassen. Externe Fachpersonen können ebenfalls beigezogen werden, wenn schwierige persönliche Themen gelöst werden müssen. Ein Case Management hat mehr Möglichkeiten, um heikle Aspekte anzusprechen. Sind zum Beispiel Geldprobleme vorhanden, wird eine Schuldenberatung helfen.

 

Sicherlich die komplexteste Herausforderung für ein Rückkehrgespräch besteht dann, wenn die Krankschreibung auf einem Arbeitsplatzkonflikt beruht. In diesem Fall ist externe Unterstützung zu empfehlen. Möglicherweise sind Optionen innerhalb der IV-Eingliederung vorhanden, um ein Job Coaching oder eine Mediation zu involvieren. Allerdings kann eine Situation auch so verfahren sein, dass die Auflösung des Arbeitsverhältnisses Sinn macht. Nach dieser schwierigen Entscheidung fällt manchmal viel Ballast ab und neue Perspektiven eröffnen sich.

 

Unterschiedliche Herausforderungen stellen sich, wenn die Grösse eines Unternehmens betrachtet wird. Ein oft positiver Aspekt in kleineren Firmen ist der persönliche Umgang. Das Vertrauensverhältnis zwischen den Involvierten kann im Reintegrationsprozess vieles vereinfachen. Allerdings fehlen in diesem Fall häufig Optionen, um angepasste Arbeitsplätze für einen Wiedereinstieg anzubieten, auch sind üblicherweise weniger finanzielle Ressourcen vorhanden als in Grossfirmen. In der sozialversicherungstechnischen Expertise kommt es vor, dass weniger Wissen vorhanden ist, weil kleinere Unternehmen seltener mit Langzeitabsenzen ihrer Mitarbeitenden konfrontiert werden. Auf der Website der SUVA gibt es zwei kostenlose Downloads, die hilfreich sein können, wenn man im Umgang mit Rückkehrgesprächen weniger erprobt ist. Zum einen findet sich das Merkblatt für die Führung von Rückkehr- und Fehlzeitengesprächen, zum anderen eine Protokollvorlage für ein solches.

Fazit

Das Rückkehrgespräch ist ein wichtiges Instrument zur erfolgreichen beruflichen Wiedereingliederung nach längerer krankheitsbedingter Abwesenheit von Mitarbeitenden. Es fördert Vertrauen, indem ein Unternehmen dem Teammitglied gegenüber Interesse und Wertschätzung zeigen kann. Der persönliche Austausch schafft die Grundlage für individuelle und konstruktive Lösungen. Eine gute Vorbereitung, Empathie und klare Zielsetzungen sind entscheidend, um die unterschiedlichen Herausforderungen gemeinsam zu bewältigen. Ist externe Unterstützung vonnöten, kann diese durch zusätzliche Fachpersonen herangezogen werden. Wenn die Rahmenbedingungen mit den richtigen inhaltlichen Akzenten eines Rückkehrgesprächs harmonieren, gelingt es auch, eine gemeinsame berufliche Zukunft zu zeichnen.

Mirjam Pluess

Mirjam Plüss, Stv. Leiterin BGM & CM und Case Managerin

Mirjam Plüss ist Case Managerin bei HMS. Sie verfügt über einen Abschluss als eidgenössische Sozialversicherungsfachfrau und absolviert derzeit ein CAS in Case Management. Mit ihrem pflegerisch-medizinischen Hintergrund und ihrer langjährigen Erfahrung im Bereich Beratung unterstützt sie Arbeitgeber sowie verunfallte und erkrankte Personen in komplexen Gesundheits- und Versicherungsthemen, der diesbezüglichen Koordination und im Rahmen der beruflichen Wiedereingliederung. Sie stand dem Redaktionsteam bei diesem Artikel beratend zur Seite.