In einer Arbeitswelt, die immer schneller und komplexer wird, gerät das Wohlbefinden der Erwerbstätigen oft unter Druck. Lange Arbeitszeiten, hoher Zeitdruck und mangelnde soziale Wertschätzung stellen viele Mitarbeitende vor grosse Herausforderungen. Doch auch das Privatleben beeinflusst unsere Gesundheit, sei es durch familiäre Verpflichtungen, finanzielle Sorgen oder gesellschaftliche Erwartungen.
Die von der Fachhochschule Nordwestschweiz geleitete Studie untersuchte umfassend, wie Arbeits- und Lebensbedingungen das physische und psychische Wohlbefinden beeinflussen. Dabei wurden über 80’000 Datensätze analysiert, unter anderem aus der Job-Stress-Analysis der Gesundheitsförderung Schweiz sowie anonymisierte Daten aus unserem Medizinprodukt stayok. Im Fokus standen bei stayok Daten von Mitarbeitenden, die entweder nach einer Erkrankung arbeitsunfähig oder über einen längeren Zeitraum erwerbsunfähig waren.
Die Ergebnisse liefern fundierte Einblicke in die Lebens- und Arbeitsrealität von Erwerbstätigen aus verschiedenen Branchen, Lebensabschnitten und Gesundheitszuständen und bieten eine solide Grundlage für die Entwicklung gezielter Massnahmen zur Gesundheitsförderung.
Die Studie zeigt klar: Arbeitsbedingungen haben erheblichen Einfluss auf die Gesundheit. In mehreren grossen und breit gestreuten Stichproben von Erwerbstätigen in der Schweiz wurde nachgewiesen, dass schlechtere Arbeitsbedingungen in unterschiedlichen Berufsgruppen und Sektoren mit einem schlechteren Gesundheitszustand einhergehen.
Besonders gesundheitsrelevant sind Faktoren wie hoher Zeitdruck, geringe soziale Wertschätzung sowie widersprüchliche oder unklare Vorgaben. Dabei spielen sowohl arbeitsbezogene Belastungen als auch Ressourcen eine wichtige Rolle. Belastungen wie Arbeitsunterbrechungen, qualitative Überforderung, Zeitdruck und soziale Stressoren verschlechtern den Gesundheitszustand, während Ressourcen wie Wertschätzung, Anerkennung und Handlungsspielraum diesen verbessern. Selbst in Arbeitskontexten, in denen die Reduzierung von Belastungen kurzfristig schwierig ist, kann die Gesundheit der Mitarbeitenden durch die Förderung von Ressourcen positiv beeinflusst werden.
Diese Zusammenhänge zeigen sich auch in Gruppenvergleichen zwischen gesunden und kranken Erwerbstätigen. Erstmalig konnten in einer Studie Daten von gesunden und kranken Personen gleichzeitig analysiert und miteinander verglichen werden. Dabei wurden kranke Personen anhand psychischer Diagnosen (F-Diagnosen nach ICD-10) oder, falls keine Diagnosen vorlagen, anhand ihres Grads an emotionaler Erschöpfung (eines Hauptsymptoms von Burnout) identifiziert. Dadurch konnten diagnostizierte Erkrankungen mit berichteten Symptomen und Belastungen in Beziehung gesetzt werden. Emotionale Erschöpfung korreliert stark mit schlechteren Arbeitsbedingungen, geringeren Ressourcen und einer schlechteren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben.
Life-Domain-Balance bezieht sich auf das ausgewogene Verhältnis zwischen Beruf, Familie, sozialen Aktivitäten und Freizeit, wobei sich diese Bereiche unterstützen sollen. Eine zentrale Erkenntnis der Studie ist, dass die Balance zwischen Beruf und Privatleben entscheidend für die Gesundheit ist. Konflikte zwischen diesen Lebensbereichen verschlechtern den Gesundheitszustand erheblich.
Die Auswertungen der Schweizer Daten stützen die Aussage vorhandener internationaler Metastudien, dass Arbeitsanforderungen einen stärkeren negativen Einfluss auf das Privatleben haben als umgekehrt. Diese Erkenntnis unterstreicht die Bedeutung guter Arbeitsbedingungen und einer ausgewogenen Balance zwischen Beruf und Privatleben für die Gesundheit der Erwerbstätigen. Die Erkenntnisse haben eine hohe praktische Relevanz, da sie die Bedeutung von Massnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und zur Förderung der Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben unterstreichen.
Die Gesundheit und das Wohlbefinden der Mitarbeitenden bilden die Grundlage für eine erfolgreiche und langfristig nachhaltige Unternehmenskultur. Arbeitgebende sind gefordert, auch im Rahmen ihrer Corporate Social Responsibility, ein gesundes Arbeitsumfeld und faire Arbeitsbedingungen zu schaffen, die eine gute Balance zwischen Beruf und Freizeit fördern. Indem sie Vielfalt und Inklusion der Mitarbeitenden begünstigen und ihre Mitarbeitenden wertschätzen und unterstützen, fördern sie eine nachhaltige Arbeitskultur, die nicht nur dem Unternehmenserfolg, sondern auch der Gesellschaft insgesamt zugutekommt.
Die Studie liefert konkrete Ansätze, wie Unternehmen und Mitarbeitende gemeinsam ein gesünderes Arbeitsumfeld schaffen können.
Arbeitgebende können entscheidend dazu beitragen, ein gesundes und produktives Arbeitsumfeld zu schaffen, indem sie gezielt in die Stärkung von Ressourcen investieren. Dazu gehören Massnahmen wie die Förderung von Handlungsspielräumen, die Gestaltung ganzheitlicher Aufgaben, unterstützendes Verhalten von Führungskräften und die Wertschätzung der Mitarbeitenden. Gleichzeitig sollten sie Belastungen am Arbeitsplatz reduzieren, beispielsweise durch die Minimierung von Zeitdruck, die Klärung von Arbeitsaufgaben, die Verbesserung organisatorischer Prozesse und die Vermeidung sozialer Belastungen durch Vorgesetzte oder Mitarbeitende.
Ein besonderes Augenmerk sollte zudem auf die Förderung einer Balance zwischen Arbeit und Privatleben gelegt werden, da berufliche Belastungen das Privatleben stärker beeinträchtigen als umgekehrt. Schliesslich sollten Führungspersonen und das Unternehmen selbst, u.a. mit Corporate Social Responsibility-Ansätzen, als Vorbilder agieren und durch ihr Verhalten aufzeigen, wie gesundes Arbeiten gemeinsam gelingen kann.
Arbeitnehmende können aktiv dazu beitragen, ihre Arbeitsbedingungen und ihr Wohlbefinden zu verbessern. Es ist wichtig, frühzeitig Unterstützung einzufordern, indem man mit Vorgesetzten oder der Personalabteilung spricht, um Belastungen zu reduzieren und Ressourcen zu stärken. Bei Bedarf können auch externe Fachstellen hinzugezogen werden. Offene Gespräche über die Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben sind entscheidend, um gemeinsam mit den Vorgesetzten individuelle Lösungen zu entwickeln.
Darüber hinaus sollten Mitarbeitende Handlungsspielräume bewusst nutzen und Verantwortung in ihrem Aufgabenbereich übernehmen. Indem sie ihre Arbeitsprozesse aktiv mitgestalten, können sie sowohl ihre Zufriedenheit als auch ihre Effizienz steigern. Ebenso ist es essenziell, frühzeitig Klarheit bei Aufgaben zu schaffen und offene Fragen zu Zielen oder Verantwortlichkeiten zu klären, um Unsicherheiten und unnötigen Stress zu vermeiden. Schliesslich hilft eine klare Priorisierung von Aufgaben, den Zeitdruck zu reduzieren, indem realistische Ziele gesetzt und kommuniziert werden.
Denise Angélique Camenisch, Geschäftsführerin
Denise Angélique Camenisch ist Geschäftsführerin der Health & Medical Service AG und Fachexpertin im Bereich Früherkennung, CM, BGM mit Schwerpunkt Arbeit und Gesundheit
In einer datengetriebenen Welt sind valide und umfangreiche Datengrundlagen die Basis für fundierte wissenschaftliche Studien. Unsere Beteiligung an der Studie „Erwerbstätige in der Schweiz“ unterstreicht, wie Praxisdaten genutzt werden können, um wichtige gesellschaftliche Fragen zu beantworten – in diesem Fall die Wechselwirkungen zwischen Erwerbsarbeit, Privatleben und Gesundheit. Für Unternehmen bedeuten solche Daten, gezielte und evidenzbasierte Massnahmen für ein gesünderes Arbeitsumfeld entwickeln zu können.
Die Ergebnisse der Studie verdeutlichen, dass Gesundheit im Arbeitskontext eine gemeinsame Verantwortung ist. Unternehmen und Mitarbeitende profitieren von einem bewussten Umgang mit Belastungen und Ressourcen gleichermassen. Entscheidend ist, berufliche Anforderungen so zu gestalten, dass sie das Privatleben nicht dominieren. Arbeitgebende sind dabei in der Pflicht, Rahmenbedingungen zu schaffen, die eine ausgewogene Balance zwischen Arbeit und Privatleben ermöglichen. Gleichzeitig sollten Mitarbeitende ermutigt werden, ihre Bedürfnisse offen zu kommunizieren und aktiv Unterstützung einzufordern. Nur durch ein gemeinsames Engagement kann eine Arbeitskultur entstehen, die nicht nur leistungsfähig, sondern auch nachhaltig und förderlich für die Gesundheit aller Beteiligten ist.
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